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Die Schule und die Reformation

Welch grundstürzende Bedeutung die Reformation für unsere Vorfahren hatte können wir, die die „Wende“ erlebt haben, nun ahnen. Nichts blieb mehr so wie es vorher war. Auch die Schule nicht.

Luther hatte sehr früh erkannt, dass die neuen Denkweisen seiner reformatorischen Schriften kaum mit den alten römischen Priestern umzusetzen waren. Er wollte eine neue begeisterte reformatorische Gesellschaft in den Schulen heranziehen. Deshalb entwickelte Luther gemeinsam mit seinem Mitstreiter Melanchthon Pläne für ein neues Schulwesen. In seiner Schrift „An die Ratherren aller Städte deutschen Lands, daß sie christliche Schulen aufrichten und halten sollen“, die 1524 erschien, sieht Luther in den von den Städten übernommenen Schulen die Voraussetzung für eine allgemeine Verwirklichung seiner biblisch geprägten Bildungsvorstellungen und einer praktischen Lebensertüchtigung. Weiter bildet die Christenlehre den Kern aller Bildung. Dazu fordert er Sprachausbildung in Griechisch, Hebräisch und Latein – den biblischen Sprachen. Praktikable Regeln stellt dann Melanchthon in zwei grundlegenden Schriften auf. Einmal in der „Chursächsischen Schulordnung“ für Lateinschulen und im fünften Abschnitt des „Unterricht der Visitatoren an die Pfarrherren im Kurfürstentum Sachsen“, das die Überschrift „Von den Schulen" trägt. Beide Schriften erscheinen 1528 und bestimmen fast 100 Jahre die sächsische Schulordnung.

Hier taucht der Begriff der „Visitatoren“ auf. Auch diese Visitationen sind eine Erfindung Melanchthons. Mit ihnen sollen alle Kirchen, staatlichen Stellen und auch Schulen auf die neue Lehre eingestellt werden. Dazu reisen Kommissionen aus drei bis fünf Visitatores – meist hohe evangelische Geistliche – durch die kurfürstlichen Lande und überprüfen die Gemeinden. Diese Visitationen wiederholen sich in den folgenden Jahren.

Unter Lehrern und einem Großteil der städtischen Bevölkerung fand die evangelische Lehre lange vor ihrer offiziellen Einführung eifrige Anhänger. Auch in Oschatz verweigerte man dem Kultus der römischen Kirche den Respekt: man verweigerte das Opfergeld, ging nicht mehr zur Beichte und übertrat öffentlich das Fastenverbot. Viele Bürger pilgerten in die benachbarten Gemeinden des Kurkreises und besuchten dort den Gottesdienst. Ein Oschatzer Lehrer und Baccalaureus – wohl Bartholomäus Molberg – wagte es am Johannistag 1521 öffentlich eine Bratwurst zu essen. Herzog Georg befahl dem Stadtrat, den Baccalaureus in Ketten nach Dresden zu schicken. Dort erhielt er eine Gefängnisstrafe. Dasselbe Los traf 1532 einen Schulmeister M. Sachse, er saß in Stolpen ein.

Im Jahr 1539 starb Herzog Georg und nun konnten die evangelischen Lehren im Land frei gelehrt werden. In der Zwischenzeit waren viele Oschatzer Schüler nach Torgau und Wittenberg in die dortigen Schulen abgewandert.

Im gleichen Jahr, am 15. August 1539, erschienen die ersten Visitatoren von Döbeln kommend in Oschatz. Ihre Ergebnisse legten sie in Protokollen fest, die ich im Staatsarchiv Dresden gesichtet habe. Die Leitung der Visitation hatte Dr. Georg Spalatin, Hofprediger und Superintendent zu Altenburg, inne.

Hauptaufgabe war natürlich die Abänderung der Gottesdienste nach evangelischen Vorschriften. Aber auch die Finanzen der Kirche wurden geordnet. Alle Einkünfte der kirchlichen Lehen, es waren etwa 500 Gulden jährlich, wurden in einem Kirchen­ärarium mit eigner Verwaltung zusammen gefaßt und für zwei Jahre dem Rat der Stadt übergeben. Er hatte die Verpflichtung, die Kirchen- und Schuldiener vierteljährlich zu besolden sowie für Behausung der Lehrer und für das Schulhaus zu sorgen. Ganz wichtig war die Weisung der Visitatoren über die „Aufrichtung einer Jungfrauen- und Mädchenschule…die einer Weibsperson anzuvertrauen sei.“

Eine Gehaltstabelle wird bestimmt:

Jährliches Entgelt für

  Pfarrer und Sup

150 Gulden

  Prediger

100 Gulden

  Diakon

70 Gulden

  Kirchner

30 Gulden

  Organist

30 Gulden

  Calcant

5 Gulden

  Schulmeister

80 Gulden

  Baccalaureus

50 Gulden

  Kantor

50 Gulden

  Frau der Mädchenschule

15 Gulden

Zum Vergleich Oschatzer Bürgermeister

18 Gulden

  Stadtschreiber

9 Gulden

Der Verdienst war gut. Zum Vergleich einige Preise aus den Kämmerei-Rechnungen vom Jahr 1541: 1 Pfd. Rindfleisch 6 -7 Pfennige ( 1 Gulden = 21 Groschen; 1 Groschen = 12 Pfennige), 1 Elle Tuch 4 Groschen, jährliche Hausmiete 40 – 50 Groschen.

Außerdem erhielten die Lehrer noch das Schulgeld: „…so soll ihnen auch das precium (Schulgeld) der Schüler zu empfahen und einzunehmen gebühren, jedoch dass die armen Knaben, die solch precium nicht zu geben vermögen, verschont bleiben.“

Leider wurde in den folgenden Jahren das Lehrereinkommen wieder beschränkt. Es bürgerte sich auch in Oschatz die Unsitte ein, neue Stellen an den Mindest­fordernden zu vergeben.

Gleichzeitig erhält der Superintendent die Oberaufsicht über die städtischen Schulen. Das gab in der Folgezeit häufig Ärger. Aber die Visitatoren bestimmten:“…der Sup. solle fleißig aufmerken, dass in allwege der kleine und große Katechismus samt der Litanei in der Schüler und Schulmädchen Gegenwart mit Fleiss getrieben werde…“

Hoffmann schreibt, dass die Oschatzer Superintendenten sehr großes Augenmerk auf die Schulen hatten und sie kräftig förderten. Drei werden aus dieser Zeit hervorgehoben: Mag. Buchner, der erste Oschatzer Superintendent, verschaffte den Lehrern „bequemere Wohnung“ und sorgte dafür “dass ihnen Zulage gegeben und ihre dringenden Schulden aus dem gemeinen Gute bezahlt wurden.“

Dessen Amtsnachfolger, der gebürtige Oschatzer Magister Friedel, machte sich besonders um die Förderung armer Schüler durch Stipendien verdient. Er ersuchte die Pfarrer „…und ihnen sowohl mit Victualien wie Brodt, Zugemüse, Käse, Eyern, Butter, als auch mit Gelde auszuhellfen…“ Er konnte auch den Herrn Dietrich von Schleinitz auf Seerhausen dazu zu bewegen „…diesen Knaben 12 Gr. zum ersten mahle zuzustellen, und ferner Continuation versprechen lassen.“

Als letzter sei hier noch Magister Scheiner erwähnt, der sehr sorgfältig „…das wissen conntrollieret“ und selbst sechs Knaben des benachbarten Adels in sein Haus und an seinen Tisch genommen hat und sie privat unterrichtete.

Bereits im Jahr darauf, 1540, erfolgt die zweite Visitation, sie muß dem Rat mehr Mittel besorgen, denn das Geld hatte zur Bezahlung nicht gereicht, die Stadt hatte 137 Gulden zuschießen müssen. Es wurden kirchliche Lehen verkauft und damit die Gehälter bezahlt. Nun gibt es auch ein „Maidlin Schulmeister“.

Oschatz besaß nun zwei Schulen. Erstens eine Lateinschule, auch als scholae particulares bezeichnet, die von allen Knaben besucht werden sollte. Aber eine Schulpflicht gab es noch nicht! Und zweitens eine Mädchenschule, die auch als „Deutsche Schule“ bezeichnet wurde. War bisher die Ausbildung der Mädchen eine reine Privatangelegenheit, griff nun die Kirche auch nach ihrer Ausbildung.

Für beide Schulen existierten keine festen Lehrpläne. Aber die Visitatoren empfahlen den sächsischen Schulplan Melanchthons. Danach wurde der reine Kirchendienst und die kirchlichen Gesänge stark eingeschränkt und ein eigenes Fach Religions­lehre, im sächsischen Schulplan „christliche Unterweisung“ genannt, eingeführt.

Über die materiellen Bedingungen, wie Schulhaus, Inventar und Lehrerunterkünfte wissen wir nicht viel. Es ist aber davon auszugehen, dass die Lehrer nur eine Schulstube zur Verfügung hatten. Denn selbst nach der Oschatzer Schulordnung von 1712 – also fast 200 Jahre später – mußten alle vier Lehrer gleichzeitig in der „großen Schulstube“ unterrichten. Bänke und Tische existierten, denn sie werden mehrmals zu Festlichkeiten aus der Schule in das Rathaus geschafft und es gibt auch Kämmerei-Rechnungen zur Reparatur.

Freie Wohnung für alle Lehrer hieß häufig erbärmliche Unterkunft in einem Stadthause oder geringer Mietbeitrag für die niederen Lehrer. Bei der Visitation 1598 wird die primitive Erbärmlichkeit der Lehrerwohnungen gerügt. 1576 wird für den Rektor erstmals ein eigenes Haus gebaut und ein Schweinestall errichtet.

Aus den Kämmerei-Rechnungen geht auch hervor, dass es bereits 1545 ein Schulexamen gab, obwohl das die Visitatoren nicht forderten. Im Winterregister heißt es : „24 Gr. den knaben zu Cleynodia(?) in Examine“.

Ein wichtiger Tag für das sächsische Schulwesen war der 21. Mai 1543. Herzog Moritz erläßt eine neue Landesordnung, die auch das Bildungswesen neu regelt. Der wichtigste Abschnitt heißt: „Von drei neuen Schulen; der Zulage, so der Universität geschehen; und etlichen Stipendien für arme Studenten.“ Es werden die Fürstenschulen in Meißen, Merseburg und Pforta eingerichtet. Dort sollen insgesamt 230 Knaben auf einen Universitätsbesuch vorbereitet werden. 100 Stipendien werden landesweit vergeben. Die Stadt Oschatz erhält vier Plätze. Die „Stipendien“ bestehen in der alljährlichen Bereitstellung von 10 Ellen Tuch, etlichen Paar Schuhen, Papier und Büchern. In Fällen bitterer Armut wird Bettzeug und Federbett gestellt. Freie Kost und Logis natürlich auch. Schulgeld wird nicht erhoben.

Die Existenz dieser Schulen beeinflußte auch die Oschatzer Schule wesentlich. Nun mußte kein Schüler mehr von hier direkt zur Universität gehen. Damit fiel ein ungesunder Anreiz zur Hebung des Niveaus auf Kosten der Mehrzahl der Schüler weg. Ein sinnloser Wettstreit mit höher entwickelten Schulen entfiel. Das Aufnahme­examen von Pforta war nun Qualitätskriterium für die Lehrer und die Leistungsfähigkeit der Schule. Auch hinsichtlich der Lehrverfahren und der Lehrbücher richtete man sich bald nach den Fürstenschulen. Fakultativ wurde ab 1545 auch in Oschatz Unterricht in Griechisch angeboten. Die Aussicht auf eine Freistelle in Pforta hat auch den Fleiß und Ehrgeiz der Schüler angestachelt und die Schülerzahlen stiegen.

Der Oschatzer Rat nutzte sogleich die Freistellen. Am 5. November 1543 reiste der Rektor Mag. Lindner auf Kosten des Rates mit vier Knaben nach Pforta. Die sechs­­ -tägige Bildungsreise kostete 2 Schock und 12 Groschen.

Eine General-Visitation fand im Jahr 1555 in Sachsen statt, sie war tiefgreifend und eigentlich eine Schulvisitation. Am 12. Oktober erschienen drei hochrangige Visitatoren, darunter der Superintendent von Dresden und Pirna, Magister Anton Lauterbach, in unserer Stadt. Zunächst erhöhten sie die Lehrergehälter nochmals. Der Rat wird angewiesen: „Ein Ehrbarer Rath sich möglich befleissigenn, das ihnen die Besoldung auf vier Mahl und also jedes quartal freundlich und unsaumlich gereichet werde.“

In 25 so genannten „Abschieden“ – hier Bescheide – werden die Grundlagen einer Schulordnung dargelegt. Einige Beispiele:

Im Abschied V wird darauf verwiesen, dass viele Lehrer verheiratet sind und Kinder haben. Deshalb würde es oft Streit und Abneigung zwischen den Lehrerfamilien geben. Der Rat wird angewiesen, jeder Familie eine eigene Unterkunft, möglichst ein Haus, zu verschaffen.

In VI heißt es :“ Vnd weil die Jugenth ahne dies zur Leichtfertigkeit vnd zu allen Argenn vnd Bösen geneigt, sol sie mit hochstem vleisz darvon apghalten vnd dargegen zu Chistlicher Zucht und Gottesforche gereitzt vnd von ihren praeceptoribus freundlich unterwiessenn oder ihr fehl mit ziemlicher und geburlicher straffe, außerhalb einiger Tirannei oder anderen unziemlichen ernstes…hievon zwingen vnd gewehret werden.

Alsdann auch vom Schulmeister im Zaume gehalten vnd das vagieren hin und widder auf der Gasse, Spielen vnd andere vnziemliche Leichtfertigkeit unterlassen vnd verhindert.“ Nicht gerade kinderfreundlich, die hohen Herren.

Es wurde festgelegt, dass der Unterricht früh von 6 Uhr bis 9 Uhr und am Nachmittag von 12 Uhr bis 3 Uhr zu halten ist. Ein unterrichtsfreier Nachmittag wurde alle zwei Wochen als Spiel- und Badetag gewährt. An Predigt-Tagen hatten die Schüler eine halbe Stunde vor Beginn „Teuzsche geistliche Psalmen vnd Lieder oder andre Christliche gesänge singen vnd alsdann wiedervmb zur Schule gehen vnd aldo ihrer Lectionm bis zur bestimpten Zeit apwarttenn.“

Ferien gab es noch nicht. Ortsüblich war es aber an den beiden Oschatzer Jahrmärkten jeweils zwei unterrichtsfreie Tage zu gestatten. Bei viel häuslicher Arbeit und zu Erntezeiten kamen die Schüler nicht zur Schule.

Zum Inhalt des Unterrichts heißt es, dass der Schulmeister „als Grund aller anderen freien Kunst“ lateinische Grammatik besonders betreiben soll. Daneben ist der Terentino – ein damals weit verbreitetes Lateinlehr- und Übungsbuch – vorgeschrieben und gelesen soll Cicero werden. Den Lehrer wird ausdrücklich nahe gelegt, ihrer Vorbildfunktion zu gedenken.

Ausdrücklich wird aber auch darauf verwiesen „ nicht die ganze Zeit mit lateinischen Singen, Figurieren, epissteln und exercitiis zugebracht werden.“ Großer Wert wird auf das Singen gelegt.

Die Aufsicht über die Schule wird im Abschied XVI sehr schwammig zwischen Rat und Superintendenten geteilt. Es heißt dort zur Berufung von Lehrern: „so sollen dieselbigen hierfuro mit Rat und Vorwissen des Herrn Supperattendenten aufgenommen, auch entsetzt oder geurlaubet werden.

Neu eingerichtet wurden Schulexamen. Im Abschied XI heißt es: „…dass alle Quartale in seinem (Sup.) und des regierenden Bürgermeisters, beneben etzlichen anderen Ratspersonen ein fleißiges Examen in der Schule, deren Lectionen, so ihen vorgelesen und sie die Schüler gehört, gehalten, und was sie sich hierraus gebessert und zugnommen, gesehen und erfahren werde.“[14]

Mit keinem Wort wird die Mädchenschule und deren Lehrer bei dieser Visitation erwähnt.

Aus den Kämmereirechnungen des 16. Jahrhundert ergibt sich, dass die vorgesehenen Examina nur einmal jährlich abgehalten wurden, im Widerspruch zur obigen Festlegung.

In den folgenden Jahren rügen die Visitatoren den sehr häufigen Wechsel der unteren Schulchargen, die einen geregelten Unterricht sehr störten.

Ein grundlegender Wandel tragt am 1. Januar 1580 mit dem Erlaß der Kurächsischen Kirchen- und Schulordnung ein. Der unmittelbare Anlaß zur Neuordnung des gesamten kursächsischen Schulwesens lag nicht auf dem Gebiet der Schule. Es waren kirchlich-theologische Interessen, die den Anstoß gegeben haben. Die Schulordnung von 1580 war ein Glied einer Reihe von gesetzgeberischen Maßnahmen, welche die durch den so genannten „Kryptocalvinismus“ gefährdete „reine Lehre Luthers“ sichern und die gefährdete Einheit der kursächsischen Landeskirche wieder herstellen sollte. Auch ein Oschatzer Superintendent, der Magister Placcius, gegen dessen Wahl deshalb Rat und Bürgerschaft heftigen, allerdings vergeblichen Widerstand erhoben hatten, zählte zu den eifrigen Verfechtern finsterer Unduldsamkeit in religiösen Fragen und lehrte trockene tote geistige Formeln von der Kanzel. Er gewann auch den hiesigen Rektor für seine calvinistische Lehren und damit den Schulunterricht. Über den Superintendenten kursierte ein Spottlied:

„Zu Oschatz ist ein Supertend,
denn hat der Teuffel auch verblendt,
dass er ist ein Calvinscher Mann,
Ach dass er hieng so hoch er kann!

Im Staatsarchiv Dresden findet sich unter der Loc. 2004 S. 61 ff. eine Darstellung des damaligen Zustandes der Oschatzer Schule. Es heißt da:

„Visitatoren: der gestrenge und ehrenfeste Heinrich v. Pelzschwitz zu Rödern und der General-Superintendent zu Meißen.
Ministri scholae:
1. Mag. Johann Fischer, Oschatzensis, ist 32 Jahr, dieses Orts am Dienste 5 Jahr. Ist gelehrt, in der Lehre sehr streng, im Leben unsträflich, wartet der Schulen mit treuem Ernst und Fleiß, hält gute Disciplin.
2.Valerian Pulsius von Hain (Großenhain), in der Lehre richtig, im Dienst treu.
3.Matthias Eckhardus von Hof, Cantor, diese Orts 11 Jahr, ist richtig, treu und fleißig.
4.Bathasar Försterus, Schletensis, Baccalaureus, ist allhier 2 Jahr, ist gelehrt, treu, fleißig und eines ehrbaren Wandels.
Deutsche Schreiber: Thomas Trentzsch, Siegmund Hanschold
Kustos: Markus Schneider, ist dieses Orts 18 Jahr, ist fleißig und treu in seinem Amt, hält auch Mägdlein-Schul.

Dieses Orts ist visitiert und folgende Mängel befunden:

Die Knaben werden unfleißig in die Schule geschickt, und wenn die praeceptores die Knaben in der Schule züchtigen, werden sie darumb auf der Gassen angelaufen.

In einer Randbemerkung wird der Superintendent angewiesen, die Leute zu ermahnen, dass sie die Kinder fleissig in die Schule schicken. Er soll auch sonst dem Schulmeister gebührlichen Schutz halten.“

Nach dem Tode Christians I. erhielten die strengen Lutheraner wieder die Oberhand und eine neue Visitation sollte all Calvinisten aus der Kirche verbannen. Die im August 1592 in Oschatz erfolgende Untersuchung entfernte den Superintendenten Placcius aus seinem Amt. Der oben genannte Rektor Mag. Johann Fischer und ein Baccalaureus Michael Gehre beharrten auf ihrem Glauben und ihrer Meinung und wurden beide aus ihren Ämtern entlassen. Es gibt dazu ein Protokoll mit Aussagen Oschatzer Bürger zu diesen beiden Lehrern. [15]

In Vorbereitung der neuen Gesetze reisten auf kurfürstlichen Befehl im September 1579 Bürgermeister, Rektor und mehrere Ratsherren nach Dresden „in Anhörung und Publikation der neuen Schulordnung“, wie es in den Kämmerei-Büchern heißt.

Eine der wichtigsten Aufgaben der örtlichen Behörden war die Aufstellung und Durchsetzung einer lokalen Schulordnung. Beeilt hat man sich aber nicht. Erst 1583 wird ein Exemplar der Kirchen- und Schulordnung für 16 Groschen beschafft. Die Oschatzer machten sich auch im folgenden die Arbeit einfach. In den Kämmereirechnungen 1583 wird auch der Botenlohn für einen Lehrer nach Pirna abgerechnet: „litererii Pirnesis exercitia“. Es wurde auch das gleiche christliche Lehrbuch in beiden Städten verwendet:Jungfraw Schulordnung zu Torgaw  Ein herrlich schön Buch/Darinnen der ganze Catechismus in Fragestück für die gemeine Jugend… Anno 1565.“

Von Oschatz habe ich keinen Schulplan gefunden, deshalb hier die Grundzüge des Pirnaer Planes, der so ähnlich auch in Oschatz gegolten haben mag:

Ein grundlegendes Charakteristikum ist, dass der Disziplin große Aufmerksamkeit geschenkt wird. Sie wird auch mit harten Strafen durchgesetzt.

In der vierten (der Anfänger-) Klasse beginnt der Unterricht 7 Uhr, er wird in zwei Gruppen durch Hilfslehrer erteilt. Ziel ist das Lesen lateinischer Sätze und Kenntnis einfacher Grammatikregeln.

„Nach Verlesung der Schüler wird der Katechismus und der Morgensegen mit dem Tischgebet gelernt; einer spricht vor, die anderen nach. Vor Beginn der zweiten Stunde erfolgt die Bestrafung der Zuspätgekommenen, worauf die Schüler abgehört werden; die Schreibstunde wird mit dem Hersagen der aufgegebenen lateinischen Wörter verbunden. Zum Schluß fordert der paedagogii auf, ruhig nach Hause zu gehen und die Übertreter behufs Bestrafung zu melden.

Von den drei Nachmittagsstunden, ist die erste zum Hersagen, die zweite zum Schreiben bestimmt, in der dritten werden lateinische Wörter diktiert. Auch nachmittags findet vor der zweiten Stunde die Bestrafung der säumigen und angezeigten Schüler statt.

In der dritten Klasse, deren Ordinariat der Kantor führt, rücken diejenigen auf, welche die Hauptstücke des Katechismus kennen, die Erotemata [16] fließend lesen und über einen gewissen Wortschatz verfügten. In der ersten der drei Vormittagsstunden überhörten sich die Schüler gegenseitig den Katechismus, in der zweiten werden die in der vierten gelernten Worte hergesagt, während in der dritten Elemente der Grammatik am lateinischen Katechismus geübt werde. Um 12 Uhr erklärt der Ludimagister den Katechismus, der folgenden Stunde der Kantor den Donat [17] und die Hauptfragen der lateinischen Grammatik, von 2 bis 3 Uhr werden Sentenzen aus guten lateinischen Schriften angeschrieben.

Zur Aufnahme in die zweite Klasse wird die Kenntnis der Hauptstücke des lateinischen Katechismus mit der deutschen Auslegung Luthers, die Sicherheit in der lateinischen Deklination und Konjugation, sowie eine umfangreichere Wortkenntnis verlangt. Hier wird der Unterricht sehr auf die lateinische Sprache konzentriert. Sie wird sogar in allen Religionsstunden verwendet und bildet die Umgangssprache der Schule. Wer hier fehlt, wird gemeldet und bestraft. Klassiker wie Cicero und Aesop werden gelesen. Hauptaugenmerk wird auf die Grammatik gelegt. Der Unterricht lehnt sich meist der Melanchthonschen großen Grammatik an. 4 Stunden in der Woche dienen zur Besprechung des versifizierten Katechismus Sauermanns, 2 Stunden zum Lernen von Vokabeln, 2 Stunden der Korrektur schriftlicher Arbeiten.

Auch in der ersten Klasse spielt Latein die Hautrolle. hinzukommen Poetik, Rhetorik und die ersten Elemente des Griechischen. Von lateinischen Schriftstellern wird außer Cicero Terenz in drei Stunden gelesen, gleiche Stundenzahl bekommt die große Grammatik Melanchthons. Griechische Grammatik erhält mit Rhetorik zusammen 3 Stunden, 5 Stunden Pythagoras. Eben so viele Stunden nimmt der Religionsunterricht ein, der in lateinischer und griechischer Sprache erteilt wird und sich mit den sieben Bußpsalmen, lateinischen Hymnen und Melanchthons Examen theologicum beschäftigt, 4 Stunden nimmt die Emendation der schriftlichen Arbeiten in gebundener und ungebundener Rede in Anspruch. In 2 Stunden wird eine Wiederholung alles dessen vorgenommen, was die Woche hindurch in den einzelnen Lektionen behandelt worden ist. 3 Stunden Gesangsunterricht gemeinsam mit der zweiten Klasse machen den Schluß.

Bereits 1550 wird aber in Oschatz die Bezeichnung der Klassen nach den Visitationen durchgeführt, also es beginnt mit der ersten Klasse, weiter wurde die vierte Nachmittagsstunde gestrichen und eine Stunde Arithmetik eingeführt, der lateinische Stoff mußte natürlich gekürzt werden, Phythagoras wird nicht mehr gelesen und die Zahl der Grammatikstunden verkürzt.

Trotzdem war das hier vermittelte Wissen nur für Schüler von Interesse, die ein Studium aufnehmen wollten. Für die Söhne der Handwerker war diese Bildung völlig nutzlos und deshalb wurden die deutschen Knabenschulen, Winkel- und Stuhlschreiberschulen besucht. Oschatz besaß eine (Loc.2004 Bl.61) solche deutsche Knabenschule. Da das aufstrebende Bürgertum nun auch ein Bildungsbewußtsein zeigte, wurde das Bedürfnis nach Bildung ohne den Umweg der lateinischen Bildung verstärk. Es waren häufig Privatunternehmen, ohne städtische Unterstützung, die ein praktisches Wissen lehrten. Viele Schüler sicherten den Betreibern ein hohes Schulgeldeinkommen. Viele dieser Lehrer besaßen keine akademische Bildung, waren aber oft sehr lange im Amt. Zucht und Ordnung werden gelobt. Schüler der Lateinschule gingen oft später auf die Deutsche Schule. Beide Schulen bestanden völlig unabhängig nebeneinander. Häufig hatten auch die Stadt- schreiber eigene Klassen. Neben deutsch Lesen und Schreiben war das Rechnen ein wichtiger Bestandteil dieses Unterrichts. Der Superintendent hatte auch hier die Aufsicht. Die Visitatoren loben diese Schulen häufig.

Die Oschatzer Mädchenschule wurde nach Torgauer Vorbild gehalten. In der Torgauer Schulordnung heißt es:

Montags frü.
Wenn die schulmeisterinn mit den jumpferlein aus der kirchen geheet, vnd ihn die schule kommen, fehet sie ahn mit den megdelein zw bethen die nachvolgende gebet, darnach lest ihr di schulmeisterin aufsagen. Wenn sie alle nach der reuhe vorhöret hat, vndt noch Zeit bis zw 9 vhr vberley ist, lest sie vorsprechenden Catechismus Lutherii…

Für jeden Tag der Woche folgen genau Anweisungen.

In diesen Jahren hat sich nun eine feste Schulform für die Lateinschule in Oschatz etabliert. An der Spitze steht ein Schulmeister als Rektor. Er wird ab jetzt ausdrücklich so genannt. Er hatte eine Hochschulbildung, in der Regel als Theologe.

Neben dem Rektor gibt es nun auch einen Konrektor. Dessen Stellung zum Cantor ist zunächst nicht sicher. Erst ab 1695 steht er als zweiter Lehrer stets vor dem Cantor. Die zwei untersten Lehrer, auch manchmal „Schulgesellen“ genannt, werden als Baccalareus supremus und infimus oder Quartus und Quintus bezeichnet. Wahrscheinlich 1596 erfolgte die Anstellung eines fünften Lehrers. Damit war die Oschatzer Schule zu einer vollklassigen Partikularschule im Sinne der Schulordnung von 1580 ausgebaut. Die Zahl der Lehrer und Klassen blieb nun für die folgenden zwei Jahrhunderte immer dieselbe, Schreckensjahre der Pest oder der Hugenottenüberfälle ausgenommen.

Der Oschatzer Rat blieb der Schule wohlgesonnen, das zeigt sich in häufigen Zuwendungen an die Lehrer und Schüler bei besonderen Anlässen. Dazu finden sich Beispiele in den Kämmerei-Büchern:

Winter-Register 1569: „6 Groschen dem Cantori, das ehr auff die Election des neuen Rats Missum te Spiritu Sancto…in der Kirchen gesungen.“
Winter-Register 1588: „24 Groschen ein Ehrbar Rath dem Herrn Schulmeister zu distribuirung der Knaben Munera, so in gehaltenem Examine bestanden, hiermit dieselben zu besseremm vleis ahnzureitzen.“
Ebenda: „1 Schock 24 Groschen dem H. Schulmeister zu Ausrichtunge der Herren Examinatoren Collation, sich hiermit gehaabtter muhe zu ergetzen…“
Sommer-Register 1575: „ 2 Schock (6 Gld) Bacc. Joh. Fischer, Schlmeister, als e Mgister worden vnd E. Erbarn Rath gegen Wittenbergl ad Actum promotialem eingeladen.“

Dem Rat war offenbar auch sehr viel an öffentlichen Auftritten der Schule in der Stadt gelegen. Er förderte in den folgenden Jahren Theateraufführungen der Schüler. Damit gelang es auch der lateinischen Schule aus der Abgeschlossenheit herauszutreten und in der Stadt wieder bekannter und beliebter zu werden. Die Aufführungen fanden in der Kirche, meist aber im Rathaus und auf dem Markte vor zahlreichem Publikum statt. Alle Unkosten übernahm der Rat und er beschenkte Lehrer und Schüler oft großzügig. So finden sich in den Jahren 1543, 1571, 1573, 1575, 1581, 1585, 1588 entsprechende Beträge in den Kämmereibüchern im Stadtarchiv. Wie vielfältig die Ausgaben waren soll ein Beispiel aus dem Jahr 1585 zeigen:

Das Sommer-Register verrechnet an Ausgaben 42 Gr. für den Garkoch, der beim Spielen Essen angerichtet und aufgetragen hat; 12 Gr. für den Hausmann (Stadtmusikus) und seine „Gesellen“, die sich dabei als Spielleute haben gebrauchen lassen; 26 Gr. dem Zimmermann für allerhand Zurichtungen; „2 Schock Thomas Patzen dem Tischler vor 31 Helleparth Jede vor 2 Gr., 31 Spisse Jeden vor 1 Groschen, dergleichen 9 Schlachtschwerthe vnd 4 Federspisse jeder zu 2 Gr., solch alles zu der vffm Marckte gehalttenen Tragicomdien gemacht.“

Die Theateraufführungen werden in der Literatur dem Einfluß des Humanismus und seiner Verbreitung in den Schulen zugeschrieben. Als diese Ideen um die Wende zum 17. Jahrhundert weniger Zustimmung fanden wurden auch in Oschatz die Spiele eingestellt. Es bildete sich nun eine neue Tradition heraus. Das Gregoriusfest nahm im Schuljahr eine wichtige Rolle ein. Am 3. September, dem Gregoriustag, zogen die Klassen mit ihren Lehrern durch die Straßen der Stadt, um mit Singen und Rezitationen ihr Wissen zu zeigen und Geld für die Schule und die armen Schüler zu sammeln. Die Erträgnisse waren mitunter sehr hoch und unterstützten arme begabte Schüler durch Freistellen. Der Brauch hielt sich sehr lange, nach Fritzsche wurde das Fest im Jahr 1835 zum letzten Mal begangen.

Im 17. Jahrhundert kam viel Leid und Not über die Stadt und natürlich blieb die Schule davon nicht verschont. 19mal suchte die Pest die Stadt heim. Die Einwohnerzahl sank und auch die Schülerzahlen gingen zurück. Durch den Stadtbrand 1616 wurde das Schulgebäude mit zerstört. Es blieben ja nur 25 Häuser am Mauerring übrig. In welchen existentiellen Schwierigkeiten unsere Vorfahren damals lebten ist heute kaum nachzuvollziehen. Trotzdem gab es weiter Schulunterricht. Für 13 Jahre zog die Schule ins Klostergebäude. 1629 wird die neue Schule am alten Platz neben der Kirche wieder aufgebaut. Besonders hart traf es die Stadt in den 30iger Jahren des 17. Jahrhunderts. In mehreren Schüben kam die Pest und 1632 wüteten die Heerscharen des Dreißigjährigen Krieges unter den Einwohnern. 1637 starben mehr als 2 000 Bewohner an der Pest. Tapferkeit und heldenmütiger Einsatz wird dem einzigen überlebenden Lehrer Wiedemann bescheinigt, der seine ganze Familie begrub und mit nur wenigen Schülern überall half. Die Lehrerstellen wurden reduziert, da es nur noch 30 Schüler gab. Ab 1650 steigen die Schülerzahlen wieder auf 120 an. Auch die Konrektorstelle wird wieder besetzt. Noch war aber die Pest nicht besiegt, bis 1682 kam sie noch drei mal in die Stadt. Die Schulen waren monatelang geschlossen.

 

 

„Deutsche Schulen“

Das in der Schule gelehrte Latein und das vermittelte Wissen erwies sich für die Kinder der Handwerker und Kaufleute als unbrauchbar. Deshalb besuchten sie meist nur die ersten Klassen, um Schreiben und Lesen zu lernen. Rechnen gehörte überhaupt nicht zum Lehrumfang der Lateinschulen. Deshalb bildeten sich in den Städten weitere städtische und private Schulformen heraus. In Oschatz begann das 1539 mit der „Aufrichtung“ der Mädchenschule. Hier wurde kein Latein gelehrt. Deutsch war Gegenstand und Unterrichtssprache. Die Bezeichnung als Jungfrauenschule war damals selbstverständlich, denn die Knaben  gingen in die Lateinschule. Die Mädchenschule wurde ab 1540 von einem deutschen Schreiber geleitet und befand sich in der Elisabethkapelle, wie aus den Kämmerei-Büchern hervorgeht. So werden jährlich 45 Gulden zum Erhalt und der Heizung der Elisabethkapelle „ führ die Meidelin“ ausgegeben. Im Winter-Register 1540 „6 Gr.6 Pf. vor Sechs Leuchter in der deutzschen Schul“ genannt und im Sommer-Register taucht 1541 ein Posten von 45 Gr. für „etzliche Benke vnd Taffeltische“ auf. Das Einkommen des Mädchenschulmeisters war erbärmlich, die von den Visitatoren eingesetzten 15 Gulden waren schon wenig, aber ab 1545 wird das Gehalt auch noch um 5 Gulden gekürzt. Nebeneinkünfte waren deshalb nötig. Ob der Posten mit dem Stadtschreiber gekoppelt war ist unbekannt. Jedenfalls wechselten die Lehrer sehr häufig. Das führte zur einzigen Bemerkung über diese Schule in den Visitationsakten: man rügt diesen häufigen Wechsel.

Die Stadt entschloß sich deshalb 1586 das Amt des Mädchenschullehrers mit dem Amt des Kirchners zu koppeln. damit war eine einträgliche Stelle geschaffen, die oft mehr einbrachte als der Rektorposten. Bereits 1570 war die Kirchnerwohnung neu gebaut worden und 1590 erfolgte ein Umbau zu Schulzwecken. Der erste gemeinsame Kirchner und Schulmeister war Markus Satorius, zuvor Schreiber bei Herrn von Carlowitz auf Kriebstein. Er war sagenhafte 62 Jahre im Dienst der Stadt und wurde 91 Jahre alt. Damals ein echter Methusalem. In den folgenden Jahren gibt es immer wieder Beschwerden des Lateinschulrektors, das in der deutschen Schule auch Knaben unterrichtet würden, die der Lateinschule entzogen wurden. Ab 1613 werden zehn Knaben für den Stadtschreiber vom Rat genehmigt. Es waren aber sicher mehr, denn die Klagen der Lateinschule reißen nicht ab. [18]

Über den Unterricht in den Mädchenschulen ist nichts überliefert. Die Sächsische Schulordnung von 1580 erwähnt sie überhaupt nicht. Da in Oschatz die so genannte „Torgauer Jungfrauenschulordnung“ verwendet wurde, [19] läßt sich aber vermuten, dass der Unterricht hauptsächlich ein Katechismusunterricht war. Denn bei obiger „Jungfrauenordnung“ handelt es sich gar nicht um eine Schulordnung, sonder um eine populäre, auf Mädchen zugeschnittene Katechismusbearbeitung in Gesprächsform und mit Sinnsprüchen. Ein Beispiel soll Ton und Zielrichtung dieses weit verbreiteten „Schulbuches“ verdeutlichen:

Eins will ich dich fragen
das felt mir jetzt ein
wenn ich nun gros
vnd zu den jaren komen bin
mag ich mich auch
hinder meiner Eltern wissen vnd willen verloben
und verehelichen mit wem ich will?

Bey leibe nicht
Sonder gib auch gut achtung
auff dis Gebot
das du mit allem fleis dich hütest
für diesen schendlichen vngehorsam
hinder deiner Eltern wissen vnd willen
dich zuuerloben…

Mein Hertz keinen besondern begert/
Dem ich zur Ehe vertrawet werde/
Mag ich mit Wahrheit sagen/
Mein Vater der mich gezogen hat/
dem will ich folgen frü vnd spat/
Auff sein Rath tröstlich wagen.
[20]

Neben dieser „offiziellen“ Deutschen Schule gab es auch in Oschatz so genannte „Winkelschulen“. Sie wurden privat geführt und boten nur elementare Grundkennt­nisse an. Meist waren Schreiber die Betreiber dieser Schulen. In Oschatz hat sehr lange eine solche Schule in der alten Garküche in der Sporerstraße – Haus neben der heutigen Sparkasse – bestanden. Diese Schule wurde vom Rat geduldet und hatte auch einen guten Ruf. Offenbar ist auch hier Rechnen gelehrt wurden, denn in den Ratsakten wird von der „Rechenschule“ und vom „Rechenmeister“ gesprochen. Der Unterricht ist als Einzelunterricht zu denken mit vielem mechanischen Auswendiglernen. Gleiches ist von den „Stuhlschreibern“ zu sagen. In jeder Stadt gab es einen oder mehrere private Schreiber, die auf dem Markt oder einem anderen festen Ort ihre Dienste für das Abfassen von Schriftstücken aller Art feil boten. Um nicht schutzlos dem Wetter ausgesetzt zu sein, hatten sie über ihren Stuhl ein kleines Dach – wir würden heute Kiosk sagen – errichtet. Dort unterrichteten sie gegen Entgelt auch Kinder.

In einer Aktennotiz von 1820 heißt es:

Seit den ältesten Zeiten waren in Oschatz nur zwei Mädchenlehrer, nämlich der Kirchner u. der sogenannte Stuhlschreiber, als solche angestellt. Welcher von beiden als Hauptlehrer gegolten hat, ist ungewiß. Doch schien man auch damals schon die Ansicht gehabt zu haben, daß die Verknüpfung des Kirchnerdienstes und einer Lehrerstelle keinen sonderlichen Vorteil gewährt. Bis zum Jahr 1819 stand es jedem hiesigen Bürger und Einwohner frei, seine Töchter entweder zum Kirchner, oder zum Stuhlschreiber zu schicken und waren sonach in der einen wie in der anderen dieser beiden Schulen Mädchen vom vollendeten 5. bis zum vollendeten 14. Altersjahre anzutreffen…“ [21]

„Mit der Schulordnung von 1580 waren auch Dorfschulen eingerichtet worden. Erstmals hatten damit auch die Kinder der Bauern und Landarbeiter eine Möglichkeit zum Bildungserwerb. Pfarrer und Küster waren als Lehrer einzusetzen. Es wurde nur elementares Wissen in deutscher Sprache vermittelt. Wie gut diese ersten Dorfschulen waren hing nur von den Lehrern und deren Engagement ab. Immerhin genoß die Schule in Merkwitz um 1610 einen so guten Ruf, dass viele Oschatzer Kinder täglich dort hin gingen. Darüber beklagt sich der Schulmeister beim Rat, denn ihm fehlte das Schulgeld. Wie der Rat entschied ist mir nicht bekannt.

Die „Winkelschule“ überdauerte Jahrhunderte, denn der Rat der Stadt beschied erst 1825:

„Es soll mit Michael dieses Jahres eine besondere Armenschule allhier zunächst eröffnet, und der Unterricht in derselben zunächst für solche Kinder, deren Aeltern Armuth halber Schulgeld überhaupt nicht bezahlen können, nach Befinden aber auch für diejenigen, deren Aeltern zwar eine geringe, jedoch nicht das in der Stadtschule hergebrachte höhere Schulgeld zu entrichten im Stande sind, bestimmt werden.
Wir werden auf den siebzehnten September dieses Jahres die Gesuche um Aufnahme solcher Kinder vom vollendeten 5ten Jahre an in die hiesige Armenschule zu Rathhause annehmen, und fordern daher alle Aeltern, welche sich in dem Falle zu befinden glauben, von dieser wohltätigen Anstalt für ihre Kinder Gebrauch zu machen, ernstlich auf, ihre Gesuche an den bestimmte Tage, und zwar, insofern sie innerhalb der Stadt wohnen, des Vormittags von 8 bis 12 Uhr, von den Vorstädten aus aber Nachmittags von 2 bis 5 Uhr persönlich anzubringen, und zugleich die Namen, so wie das Alter ihrer Kinder, auch wo sie zeither den Unterricht genossen, anzuzeigen. Jemehr diese Anstalt geeignet ist, so vielen, zeither, verwahrlosten Kindern eine zweckmäßigen Unterricht zu sichern, ihr sittliches Gefühl zu wecken und sie zum Fleiß und zur Thätigkeit zu gewöhnen, dadurch aber dem nur zur Rohheit und tiefen Verwilderung führenden Herumziehen und Betteln zu steuern; um so mehr erwarten wir von allen Aeltern, für welche diese Anstalt gegründet ist, an dem bestimmten Tage bei Uns anzuzeigen, ihre Kinder sodann zum fleißigen Besuch der Schule anhalten, und uns der Nothwendigkeit überheben werden, dießfallsige Versäumnisse an ihnen durch die gesetzlich vorgeschriebenen, von uns unnachsichtlich zu vollziehenden Gefängnisstrafen zu ahnden.
Auch soll mit Eröffnung der Armenschule alle, zeither nur nothgedrungen von Uns geduldeten Winkelschulen abgestellt werden.
Da übrigens die Hülfsmittel dieser Anstalt noch unbedeutend und derselben unter andern die sonst für das Hospital zum fernen Siechen bestimmten Sammlungen durch Aufstellung der Becken an jedem 3ten Feiertage und Herumtragen der Büchse an jedem Quartale, besonders zu Ankauf der nöthigen Schulbücher und anderer Schulbedürfnisse, zugewiesen worden sind; so wenden wir uns zugleich mit vollem Vertrauen an den wohlthätigen Sinn unserer Mitbürger und hoffen, daß auch bei dieser Sammlung das Wort des Herrn reichlich werde beherzigt werden:
    was ihr gethan an dem Geringsten eurer
    Brüder, das habt ihr mir gethan

Oschatz, den 31.August 1825
       Die Schulinspektion daselbst
       M. Christian Abraham Wahl, S.
       Der Rath allda, und
           Johann Friedrich Ziesche
           Amtführender Bürgermeister“
[22]

Damit übernahm die städtische Armenschule im roten Vorwerk die Ausbildung der Ärmsten der Stadt.

Zur Wende zum 17. Jahrhundert war in Oschatz ein dem damaligen Zeitgeist entsprechendes vorbildliches Bildungswesen etabliert und war so auch in Sachsen bekannt.

Man muß sich aber klar machen, dass wir es bei der Lateinschule eigentlich mit einer Gelehrtenschule zu tun haben. Für die meisten Bürger in der Stadt war aber ein Universitätsstudium nicht begehrenswert. Die lateinische Schule war deshalb in der Stadt nicht populär. Aber erst 1794 wurden Schritte zur Umwandlung der lateinischen Stadtschule in eine deutsche Bürgerschule getan.


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